Seide wird bereits seit der Antike aus Kokons der Seidenspinner gewonnen. Ursprünglich war schon vor 5.000 Jahren dieser Schmetterling in China domestiziert worden. Die Raupen wurden gezüchtet, da aus den Fäden, mit denen sie ihre Kokons verspinnen, um sich zu verpuppen, das kostbare Material erzeugt werden konnte.
An dieser jahrtausendealten Tradition setzte das gedankliche Experiment von Jin Zhang an, denn er stellte sich die Frage, ob der Vorgang des Webens die einzige Verarbeitungsform für reine Seide sein müsse? Die Proteinfaser, aus der die Seide entsteht, besteht hauptsächlich aus Fibroin und Sericin, die über dünne Gänge zu einer Spinnwarze am Kopf der Raupe geleitet wird. Das aus dieser Drüse austretende Sekret erhärtet bei Kontakt mit der Luft sofort zu einem Faden. Dadurch, dass die Raupe – während des Material austritt – gezielte Kopfbewegungen macht, wickelt sie den Faden um sich herum und baut sich so aus diesem Seidengespinst einen stabilen Kokon. Aus jedem Kokon kann wiederum ein einziger bis zu 900 Meter langer Faden gezogen weden.
Diese Fakten führten zu der Grundidee des Projektes von Jin Zhang, der von den Eigenschaften des Fadens inspiriert begann, die Materialität zu erforschen, um einen alternativen Produktionsprozess zu entwerfen. Nach mehreren Versuchsanordnungen hatte er eine Maschine entwickelt, die aus drei Hauptteilen besteht: dem Cocoon Soaking Part, einem Schieber und einer Spinnform. Nachdem er die Kokons in 75° heißes Wasser geworfen hat, weicht nach einigen Minuten das Sericin auf, so dass der Faden aus dem Kokon herausgezogen werden kann. Einer oder mehrere Fäden werden nun unterstützt durch die selbstklebende Eigenschaft, die sich durch das Erhitzen wieder einstellt, durch den Schieberegler geführt und direkt auf eine Form oder in Form geleitet. Der Schieberegler lenkt die Fäden auf einer code-gesteuerten Route. Die Verarbeitungsmöglichkeiten lassen sich so vielfältig variieren, so dass die Dichte, die Konturen, die erwünschten Formen beliebig hergestellt werden können, ohne dass die Fäden verwebt werden müssen. Die natürlichen Eigenschaften, die die Raupe zur Anfertigung ihres Kokons nutzt, können wieder für die Verarbeitung aktiviert und verwendet werden. Auf diese Weise entstehen nach tausenden von Jahren neue bezaubernde Stofflichkeiten und Verarbeitungsvarianten aus Seide.
Betreuung: Barbara Schmidt
Fachgebiet: Produkt-Design (BA)